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Aspekte der Vojta-Diagnostik

Wesentliche Aspekte der normalen und der gestörten motorischen Entwicklung des Kindes innerhalb des ersten Lebensjahres im Hinblick auf die neurokinesiologische Diagnostik nach Vojta.

Entwicklungskonzept

Bereits das Neugeborene verfügt über einen klar definierten und damit vorhersagbaren Vorrat an Bewegungsmustern. Sie sind ein Ausdruck der stammesgeschichtlichen Entwicklung des Menschen.

Zum Zeitpunkt der Geburt können diese „motorischen Programme“, die vom Zentralnervensystem bereitgestellt werden, jedoch zunächst nur begrenzt in Form zielgerichteter Bewegungen verwirklicht werden. So kann das Neugeborene z.B. den Kopf noch nicht heben, sich in der Bauchlage noch nicht auf die Ellenbogen stützen, sich noch nicht drehen, noch nicht gezielt greifen usw.

Neugeborener Bauchlage      aab 0001-p

Neugeborener: Bauch- und Rückenlage

Die Verfügbarkeit der angeborenen Bewegungsmuster erscheinen beim gesunden Kind in der Regel innerhalb des ersten Lebensjahres, indem es immer weiter gesteckte Ziele zu erreichen sucht. Dabei muss es sich in immer differenzierterer Weise mit der Schwerkraft, die unter Normalbedingungen auf den Menschen einwirkt, auseinandersetzen.

Das Ausmaß, des zu einem bestimmten Zeitpunkt der Entwicklung Erreichbaren, wird durch das Aufrichtungsniveau bestimmt. Ausdruck dieses Aufrichtungsniveaus sind z.B. der symmetrische Ellenbogenstütz, der Einzelellenbogenstütz, das Sitzen, das Stehen mit Unterstützung, das freie Gehen, das Hüpfen auf einem Bein usw.

Das jeweilige Aufrichtungsniveau wird durch ein präzise abgestimmtes Verhältnis von Haltungs- und Bewegungsanteilen gekennzeichnet. In der Beurteilung der Bewegung kommt dem Haltungsanteil eine hohe, in der Praxis oft vernachlässigte Bedeutung zu. Es gilt: „Jede Bewegung beginnt und endet in einer Haltung. Die Haltung folgt der Bewegung wie ein Schatten“ (MAGNUS, 1924). Der Haltungsanteil nimmt mit steigendem Aufrichtungsniveau gegenüber dem Bewegungsanteil ständig zu.

Ellenbogenstütz     Rückenlage

3 Monate: symmetrischer Ellenbogenstütz und Rückenlage

Untersuchungsgang

In der neurokinesiologischen Diagnostik nach Vojta werden die Haltungs- und Bewegungsanteile in ihrem Gesamtzusammenhang (als sogenanntes „globales Muster“) und vor dem Hintergrund des erreichten Aufrichtungsniveaus beurteilt.

Eingeschätzt wird zuerst die spontane Bewegung des Kindes in Rückenlage und in Bauchlage.

Quantifizierbare Aussagen zum Aufrichtungsniveau, welches das Kind erreicht hat und zur Qualität des globalen Musters werden durch die Prüfung der sieben Lagereaktionen gewonnen. Auf dieser Grundlage wird eine Beziehung des Befundes zur höchstmöglichen Qualität, dem „idealen Muster“, hergestellt. Abweichungen werden als „Zentrale Koordinationsstörung“ unterschiedlichen Grades bezeichnet.

Als drittes wesentliches Element in der Diagnostik wird darüber hinaus die Dynamik der Neugeborenenreflexe (auch als „Primitivreflexe“ i.S. ursprünglicher Reflexe bezeichnet) berücksichtigt. Diese wichtigen Reaktionen des Nervensystems sind unter den Bedingungen der normalen Entwicklung nur innerhalb eines begrenzten Zeitraumes (sogenannter „Waltezeiten“) während der ersten Lebensmonate zu beobachten (z.B. Moro-Reaktion, Rooting-Reaktionen, Streckreflexe, Hand- und Fußgreifreflex, Galant-Reflex usw.).

Eine Bewertung der Untersuchungsergebnisse im Hinblick auf ihre prognostische Bedeutung, aus der auch die Indikationsstellung für die physiotherapeutische Behandlung nach Vojta resultiert, unterscheidet zwischen der in besonders ausgeprägter Weise wandlungsfähigen Zentralen Koordinationsstörung, der zerebralparetischen Bedrohung und der manifesten Zerebralparese.


Greifen     Umdrehen

Greifen und Umdrehen

Konsequenzen der Untersuchung

Mit Hilfe des Untersuchungsganges ist es möglich, bei einem Säugling in kurzer Zeit zu einer klaren und reproduzierbaren Entwicklungsbeurteilung, die eine Aussage zum erreichten Entwicklungsalter und zum Grad der Entwicklungsbedrohung erlaubt, zu gelangen.

Die präzise Bestimmung, der nicht oder nur begrenzt zugänglichen Teilmuster, (nach Vojta: blockierte Teilmuster) in Haltung und Bewegung sind entscheidend für den therapeutischen Ansatz.

Dieser ist darauf gerichtet, mittels einer gezielten Erregungszufuhr zum Zentralnervensystem eine „Deblockierung“ zu erreichen und auf diese Weise Zugang zu Bewegungsmustern zu erlangen, die im Sinne der Entwicklung normal oder der Normalität angenähert sind.

Der Effekt der Behandlung ist abhängig von deren frühzeitigem Beginn, Grad der Schädigung, vom Ausmaß der „Blockierung“, von der Übungsintensität und von der Effizienz der Umsetzung. In der Regel werden die Eltern in der Behandlungstechnik an ihrem Kind durch eine/n speziell ausgebildete/n Physiotherapeutin/en unterwiesen und supervidiert. Die Eltern übernehmen den maßgeblichen Anteil an der Therapie, deren Dauer sich zumindest über mehrere Wochen erstreckt.

Zu Beginn der Behandlung werden auf der Grundlage der o.g. Diagnostik Zielstellungen formuliert. Diese richten sich nach dem Befund.

Auch bei Patienten mit manifesten zerebralen Bewegungsstörungen kann das Aufrichtungsniveau eindeutig beschrieben werden. Auf diese Weise ist es möglich, Analogien zu Entwicklungsetappen aufzuzeigen, die im Rahmen der kindlichen Normalentwicklung einem bestimmten Alter zugehörig sind. Eine dementsprechende Verfahrensweise ist z.B. hilfreich für die Erstellung von Rehabilitationskonzepten, deren Zielstellungen und deren Effizienz im weiteren Verlauf objektiviert werden können.

Aufrichten      Gehen

Aufstehen und Gehen

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